Jahrzehntelang wurden Quasikristalle als mathematische Kuriosität abgetan – Strukturen, die so bizarr waren, dass sie in der Natur unmöglich existieren konnten. Heutzutage tauchen diese „unmöglichen“ Materialien an den unerwartetsten Orten auf, von Atombombenteststandorten bis hin zu Meteoriten, und stellen unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Materie in Frage. Die Geschichte ihrer Entdeckung handelt nicht nur von einem wissenschaftlichen Durchbruch; Es ist eine Erinnerung daran, dass sich das Universum oft einer klaren Kategorisierung entzieht.
Die lange gehegte Unmöglichkeit
Kristalle, die Bausteine unserer materiellen Welt, unterliegen seit jeher strengen Symmetrieregeln. Jahrhunderte lang glaubten Wissenschaftler, dass nur 230 verschiedene Kristallstrukturen möglich seien, die jeweils auf sich wiederholenden Atommustern beruhten. Dieser Rahmen schloss Strukturen mit „verbotenen Symmetrien“ wie fünf- oder siebenfacher Rotationsordnung aus, da sie nicht ohne Lücken oder Überlappungen zusammenpassen konnten.
Die Idee, dass solche Strukturen existieren könnten, wurde erstmals 1983 vom Physiker Paul Steinhardt und seinem Schüler Dov Levine vorgeschlagen. Ihrer Theorie zufolge könnten Quasikristalle Festkörper mit sich nicht wiederholenden Atommustern bilden und so eine Art „Disharmonie im Raum“ erzeugen. Dies stieß zunächst auf Skepsis, doch 1984 gab der Materialwissenschaftler Daniel Schechtman Recht, indem er eine im Labor gezüchtete Legierung mit fünfzähliger Symmetrie synthetisierte. Der Nobelpreis folgte im Jahr 2011, obwohl viele Quasikristalle immer noch als instabile Anomalien betrachteten, die auf kontrollierte Umgebungen beschränkt sind.
Jenseits des Labors: Quasikristalle in freier Wildbahn
Steinhardt war nicht zufrieden. Er glaubte, dass Quasikristalle, wenn sie sich unter Laborbedingungen bilden könnten, auch in der Natur vorkommen müssten. Gemeinsam mit dem Geologen Luca Bindi begannen sie, in der realen Welt nach diesen Materialien zu suchen. Eine ihrer ersten Entdeckungen stammte von einem Meteoriten namens Khatyrkite, der in einer abgelegenen Region Sibiriens gefunden wurde. Dieser Meteorit enthielt den ersten natürlichen Quasikristall, der jemals identifiziert wurde, was beweist, dass sich diese Strukturen außerhalb des Labors bilden konnten.
Das Team verschob weiterhin die Grenzen und erforschte extreme Umgebungen, in denen Quasikristalle überleben könnten. Eine wichtige Erkenntnis war, dass hochenergetische Ereignisse wie Asteroideneinschläge oder Explosionen die für ihre Entstehung notwendigen Bedingungen schaffen könnten. Dies führte sie zu einer unwahrscheinlichen Quelle: den Überresten des ersten Atombombentests, bekannt als „Trinitit“. Die am Trinity-Standort gesammelten Proben enthielten nicht nur Glas, sondern auch den ersten von Menschenhand geschaffenen Quasikristall, der durch die starke Hitze und die Stoßwellen der Explosion entstanden war.
Die unerwartete Stabilität von Quasikristallen
Jahrelang wurde angenommen, dass Quasikristalle von Natur aus instabil seien und mit der Zeit in herkömmliche Kristallstrukturen zerfallen würden. Neuere Forschungen stellen diese Annahme jedoch in Frage. Mithilfe neuer Modellierungstechniken haben Wissenschaftler gezeigt, dass einige Quasikristalle wirklich stabil sein und Milliarden von Jahren überleben können. Diese Stabilität, kombiniert mit ihrer einzigartigen Atomstruktur, macht sie zu wertvollen Zeugen der gewalttätigen Ereignisse, die sie hervorgebracht haben.
Ein neues Fenster in die kosmische Geschichte
Die Entdeckung von Quasikristallen hat Auswirkungen, die weit über die Materialwissenschaft hinausgehen. Sie könnten als Marker kosmischer Einschläge während der Planetenentstehung dienen und Hinweise auf die frühe Geschichte des Sonnensystems geben. Forscher untersuchen derzeit Proben von Meteoriten und sogar von Apollo-Missionen und hoffen, Hinweise auf Quasikristalle zu finden, die mehr über die Bedingungen auf antiken Himmelskörpern verraten könnten.
Die Suche geht weiter und Wissenschaftler durchsuchen Mikrometeoriten, Vulkanglas und sogar Proben aus der Antarktis, wo sich Weltraumstaub im Eis ansammelt. Das ultimative Ziel besteht nicht nur darin, mehr Quasikristalle zu finden, sondern auch zu verstehen, wie sie entstehen, was sie uns über das Universum sagen können und warum diese „unmöglichen“ Strukturen überraschend häufig vorkommen.
Die laufenden Entdeckungen legen nahe, dass Quasikristalle nicht nur eine wissenschaftliche Kuriosität sind, sondern ein grundlegender Bestandteil der natürlichen Welt, der darauf wartet, an den unerwartetsten Orten gefunden zu werden.


































